Interview mit Melanie Kosse: Nachhaltige Wachstumsstrategie

Im Interview spricht Melanie Kosse, Mitgründerin und Geschäftsführung von „die zugvögel“, nach fünf erfolgreichen Jahren am Markt über ihren unkonventionellen Weg in die Bahnbranche, den Umgang mit dem akuten Fachkräftemangel in der Branche, die eigenen Erfolge in der Mitarbeitergewinnung und den Fokus auf nachhaltige Personalentwicklung.

ZuBa: Frau Kosse, würden Sie uns kurz berichten, wie Ihr eigener Weg zur Bahnbranche aussah?
Melanie Kosse: Mein beruflicher Weg führte mich 2016 in die Bahnbranche. Damals war ich für ein Weiterbildungsunternehmen tätig, welches Triebfahrzeugführer über den Quereinstieg qualifiziert hat. Ich habe das Unternehmen bei der Gründung im Bereich Marketing und Design begleitet und mitaufgebaut. Darauf folgten dann zwei weitere Ausbildungsunternehmen aus dem Bahnsektor, die ich unterstützen durfte und welche sich ebenfalls erfolgreich am Markt etablieren konnten. In dieser Zeit habe ich auch meinen heutigen Geschäftspartner Steffen Haferung kennengelernt. Zusammen haben wir zwei Jahre später den Personaldienstleister „die zugvögel Eisenbahnpersonal- & Service GmbH“ mit dem Schwerpunkt der langfristigen Arbeitnehmerüberlassung gegründet. Gemeinsam bilden wir die Geschäftsführung. Herr Haferung bringt die fachliche Kompetenz aus 25 Jahren Berufserfahrung als Eisenbahner, Ausbilder und Prüfer mit ein, während ich für diverse andere Bereiche zuständig bin. Neben Marketing und Design sind dies Qualitätsmanagement, IT, die digitale Infrastruktur und die prozessorientierten Abläufe im Unternehmen.

Melanie Kosse, Geschäftsführung die zugvögel

Der Fachkräftemangel bereitet den EVU, der Bahnindustrie und auch dem Bahnbau große Probleme. Wie ist Ihre Einschätzung dieser ‧Situation?
Kurzfristig wird dieser weitreichende Fachkräftemangel nicht zu stoppen sein. Dazu bedarf es der Entwicklung nachhaltiger Konzepte, um insbesondere den Beruf des Triebfahrzeugführers in unserer heutigen modernen Arbeitswelt attraktiver zu gestalten. Die Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden ist dabei ein guter Anfang. Auch wir als Personaldienstleister werden diese schrittweise einführen. Allerdings müssen auch die Unternehmen der Branche nachziehen und ihre Prozesse und Personalentwicklung optimieren. Die Digitalisierung hält hier viele Möglichkeiten bereit. Letzten Endes ist niemandem allein mit einer reduzierten Wochenarbeitszeit geholfen, wenn sich dadurch die Überstunden summieren.

Welche Möglichkeiten bieten die zugvögel an, wenn ich mich als fachfremde Quereinsteigerin für eine ‧Tätigkeit im Bereich des Schienenverkehrs interessiere?
Als zugelassene Stelle für die Ausbildung- und Prüfung nach der TfV konzentrieren wir uns neben der Arbeitnehmerüberlassung auf die Schulung von Eisenbahnbetriebspersonal. Unser Portfolio umfasst hierbei den regelmäßigen Fortbildungsunterricht, Simulator-Überwachungsfahrten und modulare Weiterbildungen. Schwerpunktmäßig bauen wir in diesem Jahr unsere modularen Schulungen aus. Unter anderem LZB, Grundlagen nach der TfV und Wagenprüfer Stufe 1 + 2. Hierfür konnten wir einen weiteren großen Kunden aus unserer Region gewinnen, dessen Mitarbeitende wir ausbilden werden. Zusätzlich übernehmen wir in diesem Jahr die Standausbildung unterschiedlicher Baureihen für das Personal eines bestehenden Kunden.
Quereinsteiger, die ihre Qualifizierung als Triebfahrzeugführer*in bei einer Bildungseinrichtung absolvieren, bieten wir die Möglichkeit, den fachpraktischen Teil ihrer Ausbildung bei uns zu absolvieren. Dies erfolgt in Kooperation mit dem Bildungsträger. Die Mitfahrten erfolgen bei uns ausschließlich durch unsere zertifizierten Ausbildungslokführer. Für die Ausbildungsfahrten verfügen wir über entsprechende Freigaben bei unseren Kunden.
Fachfremde Interessenten, die einen Quereinstieg anstreben, können sich für ein Beratungsgespräch an uns wenden. Individuell klären wir gemeinsam, inwieweit die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei Bedarf können wir einen Kontakt zu einem unserer Kunden oder zu Kooperationspartnern vermitteln.

2023 war nicht nur das Jahr des fünfjährigen Firmenjubiläums, sondern Sie haben auch bei der Gewinnung neuer Mitarbeitenden Erfolge verzeichnet. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Innerhalb der letzten fünf Jahre sind wir solide gewachsen und haben uns als Personaldienstleister erfolgreich am Markt behaupten können. Wir beschäftigen zurzeit 47 Mitarbeiter und Mit‧arbeiterinnen. 41 davon in der Arbeitnehmerüberlassung bei bundesweit ansässigen EVU. Während der Corona- Krise konnten wir alle Mitarbeitenden sowie unseren Kundenstamm halten. Allein im Jahr 2023 hatten wir 20 Personaleinstellungen. Unseren Kundenstamm haben wir im vergangenen Jahr um neun Eisenbahnverkehrsunternehmen erweitert. Aktuell bedienen wir 16 Kunden mit Triebfahrzeugführer*innen und Rangierbegleiter*innen in der Arbeitnehmerüberlassung.
Alle Mitarbeitenden sind bei uns Teil des Ganzen, denen wir stets auf Augenhöhe begegnen. Wir verstehen uns als sozialer Personaldienstleister und setzen auf nachhaltige Mitarbeiterbeziehungen. Die Bedürfnisse und die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellen wir in den Fokus und vereinen diese mit den Anforderungen der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Mit einer vorausschauenden Dienstplanung und flexiblen Arbeitszeitmodellen ermöglichen wir die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.
Bereits im Vorstellungsgespräch besprechen wir die Ziele und Wünsche der Bewerber*innen und gleichen diese mit den vorhandenen Qualifika‧tionen ab. Wir zeigen Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen auf.
Die kontinuierliche Weiterbildung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Personalentwicklung. Dabei sind wir klar und direkt in der Kommunikation. ‧Unsere Mitarbeitenden wissen bei uns, woran sie sind. Unser Backoffice-Team kümmert sich schnell und zuverlässig um alle Belange. Wir führen regelmäßig Feedbackgespräche und agieren kurzfristig. Das spricht sich rum. Zufriedene Mitarbeiter sind die beste Werbung.

Die kontinuierliche Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden ist eine der zentralen Säulen Ihrer Personalentwicklung. Auf welche technischen und theoretischen Medien setzen Sie dabei?
Wir verfügen über eine eigene Aus‧bildungsabteilung, die durch einen sehr erfahrenen Ausbilder und Prüfer geleitet wird. Bei der Weiterbildung unserer Mitarbeitenden setzen wir nicht nur ausschließlich auf die theoretische Vermittlung von betriebsrelevanten Themen. Jeder Triebfahrzeugführer ‧absolviert in unserer Ausbildungs‧abteilung jährlich zusätzlich drei Schulungstage inklusive einer Simulatorüberwachungsfahrt. Dafür steht am Firmenstandort ein Simulator der Firma ZUSI zur Verfügung. Für Standausbildungen können wir dankenswerter‧weise direkt auf verschiedene Lokomotiven unserer Kunden zurückgreifen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil in unserem Unternehmen ist die Digitalisierung. Seit dem letzten Jahr erfassen wir die Arbeitszeit und die Streckenkunde digital. Unsere Mitarbeitenden werden auch dahingehend regelmäßig geschult und erweitern somit ihre digitalen Kompetenzen. Die Mitarbeiterverwaltung ist bei uns papierfrei. Das kommt gut bei unseren Mitarbeitenden an und wird auch von unseren Kunden sehr geschätzt.

Frau Kosse, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Stefanie Affeldt.

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